Ali Ramezani
Ali Ramezani

Die Bauwirtschaft ist in der Art und Umfang der betriebswirtschaftlichen Abbildung sonderbar. Bau-Projekte dauern ihre Zeit und es gibt viele Projektbeteiligte, die während und nach der Projektlaufzeit mehr oder weniger stark im Projektgeschehen involviert sind. Ein Verständnis über die Abläufe und Zusammenhänge des Bauunternehmens ist ein wesentlicher Faktor, damit Optimierungen jedweder Art kontiniuerlich und erfolgreich vorangebracht werden können.

Ausgangssituation Einige wesentliche Gründe sind entscheidend für diese Sonderstellung:

Unterschiedlich geartete Bauprojekte: Neben privaten Bauten und ihrer steuerlichen Sonderstellung, gibt es gewerbliche Bauten, Hoch- und Tiefbauten usw. Je nach Art und Tiefe der praktischen Umsetzung eines Bauprojektes von der Planung bis hin zum Bau, gibt es unterschiedlich viele Partner und projektinvolvierte Stellen. Wenige Bauunternehmen decken die gesamte Wertschöpfungskette unternehmerisch ab: Die oben dargelegte Unterschiedlichkeit von Bauprojekten erfordert die Kollaboration und Zusammenarbeit mit zahlreichen externen Stellen. Dokumente und Planstände müssen ausgetauscht und jeweils in der neuesten ggf. geänderten Fassung verfügbar gemacht werden. Besondere Vertragsgrundlagen: Die Bauwirtschaft hat aufgrund der besonderen und ausführungsorientierten sowie ggf. nicht immer kalkulierbaren Endergebnisse eine besonders umfangreiche Einbehalts- und Abrechnungslogik. Durch das Fehlen eines systemischen Vorgehens entstehen viele unkoordinierte Kommunikationsknotenpunkte mit nicht verifizierten oder veraltete Daten und Informationen. Während die Kalkulationsabteilung von errechneten und gewünschten Kosten und Erlösen ausgeht, gewinnen die Baustellen ein Eigenleben. Kostenüberschreitungen und Terminverschiebungen werden zur Regel. Ebenso gibt es Mängel auf der Baustelle, die teilweise aus dieser verwalterischen Undurchsichtigkeit heraus entstehen und verwaltet und korrigiert werden müssen. Handwerker müssen fallbezogen die erzeugten Mängel beheben oder alternative Ersatzvornahmen müssen an der Stelle greifen.

Eine weitere Problematik besteht in der Art und Weise der Kommunikation. Die einzelnen Fachabteilungen arbeiten mit den jeweils nötigen Programmen und die Prozesse sind abteilungsintern autark. An sich ist diese Eigenschaft nicht negativ zu bewerten, gäbe es eine geordnete Schnittstelle, um die nötigen Daten zwischen den unterschiedlichen Bereichen auszutauschen. Doppel- bzw. Mehrfachpflege derselben Informationen und Datenbrüche sind in der Regel nicht zu vermeiden, wenn ein einheitliches System für die Hinterlegung der kaufm. Belange nicht existiert.

Unternehmensstruktur Die Wertschöpfungskette eines Bauträgers beginnt im Grunde bei der Grundstücksakquise und endet bei der Endabwicklung der Gewährleistung. Zusammenfassend können folgende Bereiche und Abteilungen bei einem Bauunternehmen vorhanden sein:

Projektentwicklung: Grundstücksakquise oder Ankauf von Bestandsimmobilien im städtischen Raum. Vorplanung und Kostenkalkulation vor Ankauf eines Grundstückes. Kalkulation: Angekaufte Projekte werden für die Ausführung und Fertigstellung kalkuliert. Kostenschätzung und Kostenüberwachung neben Auswertungen unterschiedlichster Art. Planung und Ausführung: Einzelne Gewerke und Leistungen werden vergeben oder ausgeführt. Leistungseinkauf, Vertragsmanagement und Prüfung der erbrachten Leistungen auf der Baustelle. Finanzbuchhaltung: Fortschritt des Bautenstandes auf der Baustelle führt sowohl auf der Kostenseite, als auch auf der Erlösseite zu Abrechnungen. Vertrieb: Angekaufte und geplante Objekte gehen in den Vertrieb. Klassische CRM Erfordernisse sind hier gegeben. Interessentenverwaltung und Erfolgskontrolle der Belegschaft. Gewährleistung: Gewährleistungsansprüche bestehen sowohl auf der Ausführungsseite dem ausführenden Handwerksbetrieb als auch dem Endkunden gegenüber. Anmietung / Vermietung: Oft wird eigener Bestand aufgebaut oder verkaufte Objekte angemietet und weiter vermietet. Verwaltung und Abrechnung gehört hier zum operativen Alltag. Personalwesen: Mitarbeiter müssen verwaltet werden. Arbeitsverträge, Fehlzeiten und Stundenerfassung sind hier die besonders hervorzuhebenden Bereiche. Produktion: Die produzierende Bauwirtschaft ist ebenso und in der Regel als separater Wirtschaftszeig mit allen Belangen wie Lagerwirtschaft, Warenwirtschaft und Vertrags- und Abrechnungswesen im klasisschen Sinne beschäftigt und die Erfordernisse können in Teilen sehr umfangreich und umfassend werden. Bauabwicklung und die daraus resultierende Notwendigkeit Informationen und Daten zwischen den einzelnen Bereichen auszutauschen ist ein wesentlicher Teil des operativen Alltags eines Bauunternehmens. Beispielhaft laufen die Bauprojekte während ihres gesamten „Lebenszyklus“ von Ankauf der Grundstücke bis hin zu schlüsselfertigen Wohnungen ganz oder teilweise in allen Abteilungen durch und werden mit den entsprechenden geschäftsrelevanten Kennzahlen (Kosten, Erlöse als Beispiel) „angereichert“. Die Bauausführung bzw. Einkaufsabteilung schließen Verträge ab, die dann als Grundlage für die Leistungsausführung dienen und später nach erbrachter Leistung zur Abrechnung und tatsächlichen Kosten führen. Diese Kosten müssen von der Kalkulationsabteilung regelmäßig geprüft und im Idealfall tagesaktuell den geschätzten Kosten gegenübergestellt werden. Die Buchhaltung als ein weiteres Beispiel muss bei den Abrechnungen immer den tatsächlich erbrachten Leistungsstand auf der Baustelle von den Bauleitern erfragen und dies dient dann wiederum als Grundlage für die Auszahlung der eingegangenen Rechnungen. Ebenso die vertraglich vereinbarten MaBV-Raten, die nach Bautenstand des Projektes, abgerechnet und dem Kunden in Rechnung gestellt werden.

Im Grunde genommen herrscht während der Abwicklung und dem Bau eines Projektes ein permanentes Ineinandergreifen der Abteilungen. Je reibungsloser und effizienter dieser Austausch stattfindet, desto schneller und unproblematischer gestaltet sich die Fertigstellung und Endabnahme eines Projektes.

Problem-Analyse Es gibt einige strukturell bedingte Schwachstellen in dieser Abwicklungsart.

Unterschiedliche Semantik Jedes Projekt beginnt mit einer Kostenschätzung. Die Kostenschätzung ist in der Regel in einzelnen Kostengruppen unterteilt und stellt quasi das Projekt in seiner geplanten Kostenstruktur dar. Nach der Kostenschätzung beginnen die Leistungsvergaben, die dann als Verträge als konkrete Kostengrundlage für das Projekt dienen. Die vergebenen Leistungen werden dann sukzessive ausgeführt und somit entstehen Abrechnungen, die buchhalterisch erfasst und gebucht werden.

Die Grundanforderung besteht in der Regel darin, auf der Controlling-Ebene die geschätzten und geplanten Kosten fortwährend den Vergabe- und später auch Abrechnungswerten gegenüber zu stellen. Eine sogenannte Kostenüberwachung und später auch Liquiditätsbetrachtung. Die Problematik dabei ist jedoch, dass die Kalkulationsabteilung, Bauausführung und Buchhaltung jeweils das gleiche Projekt in unterschiedlichen semantischen Sprachen „übersetzen“.

Während die Kalkulation das Projekt in einzelnen oftmals auch nach DIN-276 genormten Kostengruppen die geschätzten Kosten unterteilt, vergibt die Bausausführung die Leistungen nach Gewerken. Buchhaltung wiederum bucht die Abrechnungen auf Sachkontenbasis.

Dieser Umstand führt zwangsläufig dazu, dass eine fortwährende Gegenüberstellung und Überwachung der Kosten ohne manuellem Zutun quasi schwer bzw. unmöglich wird.

Das Problem, welches sich aus dieser Struktur ergibt, ist eine schwierige bis gar unmögliche automatisch generierte Gegenüberstellung der entstandenen Kosten in allen Bereichen. Eine Idealvorstellung für die Kalkulationsabteilung wäre in etwa wie folgt, dass man die Kosten linear gegenüberstellen könnte.

Kostenübersicht / Kostenkontrolle Das Problem, welches sich aus dieser Anforderung der idealerweise tagesaktuelle Gegenüberstellung ergibt, sind die unterschiedlichen semantischen Sprachen aus den jeweiligen Abteilungen. Es muss also eine Möglichkeit geschaffen werden, damit die Mitarbeiter der jeweiligen Abteilung bei der Erfassung ihrer Daten jeweils in der eigenen für sie sinnvollen Sprache (Sachkonten als Beispiel in der Buchhaltung oder Gewerk in der Bauausführung) die Daten automatisiert an die Kalkulationsabteilung übergeben können. Ohne dass hier ein manuelles Übersetzen und Datenpflege nötig wird.

Mobilitätsbedarf Die Bauausführung ist auf der Baustelle lokalisiert. Dies bedeutet, dass die Bauleiter, Planer und Projektentwickler permanent vor Ort sein müssen. Aus diesem Umstand ergibt sich die Notwendigkeit der Mobilität und ein daraus resultierender notwendiger Zugriff auf die Dokumente und Daten aus der Verwaltung. Ebenso ist es ein großes Problem, wenn Feststellungen auf der Baustelle wie Mängel oder mündlich getroffene Vereinbarungen mit den Handwerksbetrieben erst im Büro „nachgepflegt“ und dokumentiert werden müssen.

Fehlende Mobilität führt zu Intransparenz und lückenhafter Dokumentation der Vorgänge auf der Baustelle.

Externe Projektbeteiligte Ebenso sind bei den externen Projektbeteiligten wie Architektur- oder Statikbüros, Arbeitsergebnisse in Form von Plänen oder Dokumenten, die im Idealfall zeitnah und in der richtigen Version immer allen Projektbeteiligten und Handwerkern zur Verfügung gestellt werden müssten.

Gekoppelt an die Problematik der Mobilität, wird hier ein manuelles Abrufen der Arbeitsergebnisse bei allen Projektbeteiligten und die zur Verfügung Stellung der Ergebnisse in geeigneter Form ein sehr aufwendiger und fehleranfälliger Vorgang, was zu massiven Produktivitätseinbußen führt.

Projektgesellschaften Grundstücke anzukaufen und zu entwickeln ist ein kapitallastiges Anliegen. Oft gehen die Bauträger „Risiken“ ein. Um die Geschäftsrisiken möglichst auf das Projekt zu beschränken gründen Bauträger oftmals separate Rechtsformen und sogenannte Projektgesellschaften, in welchen dann die Projekte finanziert, gebaut und ggf. vertrieben werden. Somit ergibt sich automatisch und aufgrund der eigenen Rechtsform eines Projektes die Notwendigkeit der finanz- und bilanzbuchhalterischen Trennung.

Die Abwicklung der Projekte wird jedoch operativ weiterhin von den angestammten Abteilungen und ihrem Fachpersonal durchgeführt und die Projektgesellschaft spielt im operativen Alltag sehr beschränkt eine Rolle.

Finanzbuchhaltung muss also immer bei allen Abrechnungen die im Hintergrund rechtlich agierende Projektgesellschaft berücksichtigen und die Buchungen dem korrekten Projektgesellschaft (Buchhalterisches Mandant) zuordnen.

Kommunikation- und Kollaborationsdefizite Interne und externe Abstimmungen laufen oft unkoordiniert ab und die Kommunikationswege sind nicht klar definiert. Viele Abstimmungen finden im Face-to-Face oder telefonisch statt und die Gesprächsresultate werden nicht dokumentiert bzw. festgehalten.

IT-Affinität Die Bauwirtschaft in Deutschland ist erfahrungsgemäß sehr konservativ. Handwerk hat gerade in Deutschland eine alte Tradition und das digitale Denke hat noch nicht in allen Bereichen Einzug gehalten.

Gerade auf der Baustelle werden IT-gestützte Systeme eher als eine unnötige Zusatzarbeit verstanden bzw. es fehlen oft Kenntnisse und Verständnis über solche Systeme.

Lösung Aus diesem Umstand ist die Idee einer ganzheitlichen Digitalisierung und Begleitung für die Erfassung und Harmonisierung der unterschiedlichen Bereichen eines Bauunternehmens entstanden.

Das Konzept umfasst somit die datenbezogene und kaufmännische Erfassung der gesamten Wertschöpfungskette.

Folgende Themen kurz gefasst können systemisch gelöst bzw. auch begleitet werden:

Projektkalkulation in der vom Kunden gewünschten Kostengruppenstruktur sollen strukturiert erfasst und hinterlegt werden und die Vergaben und Abrechnungen werden mit den jeweils hinterlegten „Übersetzungstools“ nach der Erfassung und Buchung automatisch in die Kostenübersicht übertragen. Erlöse sollen ebenso strukturiert erfasst und gebucht werden können. Mängel auf der Baustelle dürfen in einem optimierten Prozess nicht untergehen. Übersicht über alle offenen, erledigten und in Behebung befindlichen Mängel hat für ein Bauunternehmen in Teilen existenzielle Bedeutung. Buchhaltung muss klug und durchdacht mit den restlichen Abteilungen verbunden sein. Abrechnungstand sollte in einem optimierten Prozess in allen Abteilungen auf eine vernünftige und übersichtliche Basis abrufbar sein. Ebenso sollte das finanzbuchhalterische Trennungsgebot bei unterschiedlichen Projektgesellschaften nicht zu Prozessbrüchen in der Abwicklung von Projekten führen. Strukturierte Dokumentenablage führt zu mehr Transparenz und Findbarkeit der Dokumente im Unternehmen. Der Ansatz einer digitalen Projektakte wäre hier hilfreich. Prozessorientierte Posteingangbearbeitung: Der Rechnungseingang sollen über projektspezifische Workflows an Teams und Abteilungen digital verteilt und bearbeitet werden können. Ausblick Wenn es um ganzheitliche Digitalisierung im Unternehmen geht, gibt es jedoch viele Faktoren, die für die Prozessoptimierung eine wesentliche Rolle spielen. Die Art und Weise der Kommunikation, Aufbau einer Wissensdatenbank, Ausbildung der Mitarbeiter in Sachen IT, Schaffung von Austauschplattformen für externe Projektbeteiligte, Schaffung einer intelligenten Mobilität in einer umfassenderen Form, was nicht nur die kaufmännischen Belange erfüllt, sondern auch Arbeitsprozesse umfasst, um nur einige Beispiele zu nennen.

Diese Fragestellungen können und sollen nicht von einem einzigen Softwaresystem gelöst werden. Hierzu bedarf es kluge Ansätze der Zerlegung von IT-Bedürfnisse in einer Form, dass das Unternehmen trotz der Entscheidung für oder gegen ein System noch flexibel genug auf Veränderungen reagieren kann.

Damit der Kunde auch im Sinne seiner Wünsche einen ganzheitlichen Ansatz fahren kann, sind Beratungen, Gespräche und die Ausarbeitung von Konzepten nötig. In einigen Bereichen muss das Unternehmen seine altbewährten Gewohnheiten aufgeben und neue Wege gehen. Gerade im Bereich der Harmonisierung der unterschiedlichen Sprachen in der Kalkulation und Buchhaltung bedarf es enge Abstimmungen und daraus resultierenden Anpassungen, damit dann einen reibungslosen Austausch zwischen den Abteilungen ermöglichen.

Fazit Digitalisierung und IT-gestützte Prozessoptimierung ist ein weites Feld und anhand des oben aufgeführten Beispielfalls habe ich versucht, die wesentlichen Punkte, die den Kern der Idee einer ganzheitlichen Prozessbetreuung in einem Bauunternehmen betreffen, zu erläutern.

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